Chi Lebenskraft

Der Begriff einer Lebenskraft bzw. Lebensenergie hat sich im nicht nichtabendländischen Kulturkreis unter den verschiedenen, nachfolgend nur in Ausschnitten aufgeführten Termini niedergeschlagen:


Jüdischer Kulturkreis cheim
Islamischer Kulturkreis ruh
Hinduistischer Kulturkreis akasha
Ägypten ka, ga-ilama
China chi
Indien prana
Tibet mana
Hawaii mana mana

In der griechischen Philosophie führten die Mieser Thales (625-545 v. Chr.) und Anaximedes (585-528 v. Chr.) alles Seiende als eine feinen Urstoff, ähnlich dem Wasser oder der Luft zurück. Es ergaben sich innerhalb der griechischen Philosophie zwei Ansichten. Die eine ging davon aus, das "alles ruht", wie Parmenides aus Elea (540-470 v. Chr.), die andere behauptete "alles fließt" wie Heraklit. Grundlegend herrschte eine Philosophie vor, die alles Seiende als eine Kombination von Feuer, Wasser, Erde und Luft hielt, wobei den Elementen Feuer und Wasser eine besondere Bedeutung zukam. Es ergaben sich zwei Richtungen: Die eine bevorzugte die Partikelvorstellung, assoziiert mit der Kraft des Feuers, will es alle Dinge zerteilt. Die andere bevorzugte ein fließendes, alles durchdringendes Konzept, das von Aristoteles als "Äther" bezeichnet wurde.

Im westlichen, bereits naturwissenschaftlich geprägten Kulturkreis kristallisierte sich mit der Aufstellung des Energie Erhaltungssatzes gegen Ende des 19. Jahrhunderts ein "Energie - Begriff", der vom Wort energeia ausgehend in der Paarung mit Dynamis zu einer höheren, göttlichen Kraft mutierte, der je nach weltbildlichem Konzept mit verschiedenen Bezeichnungen wie vis operandie, vis divina gleichgesetzt wurde.

Der Begriff energeia und seine Entlehnungen in germanischen und romanischen Sprachen der Neuzeit entwickelte sich von einem pantheistischem Konzept zu einer abstrakten Größe, die berechenbar wurde oder zu sein erschien, solange es für einen begrenzten oder definierbaren Raum galt.

Die Grundlage der energetischen Theorien, die auch im 20. Jahrhundert vor allem durch den Arzt und Naturforscher Wilhelm Reich (1897-1957) wiederentdeckt und weiterentwickelt wurden, haben der Chemiker und Philosoph Wilhelm Ostwald ( 1853-1932) und der Naturphilosoph Ernst Haeckel (1834-1919) gelegt. Ostwald erhielt für seine Forschungen zur Katalyse 1909 den Nobelpreis für Chemie. Er war ein Gegner der Atomtheorie auf der Grundlage einer materialistisch orientierten Erkenntnisgewinnung. Seine natur- und geisteswissenschaftlichen Auffassungen sind als Energetik oder als energetischer Monismus bekannt. Haeckel schrieb Grundlagenwerke zur monistischen Philosophie und nannte die Lebenskraft "inponderable Materie".

Der o.g. Monismus ist als grundlegendes Konzept bei vielen Philosophen durch die Jahrtausende zu finden. Der Begriff ist griechischer Herkunft und leitet sich von dem Begriff "mono" ab, was "allein" oder "einzeln" bedeutet Er versucht im Gegensatz zu den dualistischen Konzepten, die  Vielfältigkeit der Welt auf eine einzige Wirkkraft zurückzuführen. Seine gedankliche Grundlage ist auch die Forschung nach einem einheitlichen Urstoff. 

Mit den Veröffentlichungen Ostwalds und Haeckels bekam allerdings der Monismus wieder eine stärkere geistige und psychische Komponente, was dazu führte, daß der Begriff der Energie gleichzeitig in eine materialistisch-rationale und psychisch-idealistische Theorie eingebettet wurde. Er wurde hier wieder, nun aber im naturwissenschaftlichen Europa, zum Ausdruck für eine alles bewegende Kraft, die sowohl spirituell als auch naturwissenschaftlich aufgefaßt werden konnte. Dies lieferte die Grundlage für die Ausweitung des Begriffs in den psychologischen Bereich, deren bekannteste Wegbereiter später Sigmund Freud und Carl Gustav Jung waren.

Der wohl bedeutendste Schüler Freuds, Wilhelm Reich, widmete sein Lebenswerk der Übertragung und Grundlegung des Libidokonzepts seines Lehrers in die Entwicklung fundamental neuer Ansätze in der psychosomatischen und später energetischen Medizin. Reich führte in einem Zeitraum von über zwanzig Jahren Mitte des vergangenen Jahrhunderts naturwissenschaftliche Experimente im Bereich der Mikrobiologie, Bioelektrizität, Physik, Meteorologie zum Nachweis einer primordialen, d.h. allen Naturerscheinungen und -vorgängen zugrunde liegenden Energieform, die er Orgon" nannte, durch. Seine hierdurch gewonnenen Erkenntnisse führten ihn als Arzt auch zur erfolgreichen Anwendung dieses Wissens u.a. in der Krebstherapie schulmedizinisch nicht mehr behandelbarer Patienten. Wilhelm Reichs theoretisch zunächst bedeutsamster Ausgangspunkt ist außer bei seinem zeitweiligem geistigem Mentor Sigmund Freud v.a. bei dem französischem Philosophen Henri Bergson (1859-1941) und dessen Konzept eines elan vitale bedeutenden Einfluss ausübte. Er vertrat ebenfalls die Ansicht, dass allem organischen Leben eine besondere Lebenskraft innewohnte, die wahrnehmbaren chemischen und physikalischen Vorgänge übersteigt und daher allen biologischen Vorgängen übergeordnet sein muss. Dieser elan vitale führt zu einer Auffassung von der Wirklichkeit dieser Welt; die ständig auseinander fällt und darin auch schöpferisch wirkt. Bergson ist wohl der einzige Monist, dessen Werk im chinesischen Kulturkreis aufgrund der vorhandenen Ähnlichkeit mit dem chi - Konzept der ältesten ungebrochenen Kulturtradition der Menschheit, dem Taoismus. Interessanterweise hat sich Wilhelm Reich, dessen Bücher nie in der VR China übersetzt wurde, erst gegen Ende seines Lebens mit der asiatischen Kultur auseinandergesetzt, allerdings waren die Lebensenergiekonzepte des Taoismus auch unter der damaligen politischen Führung zum ersten Male seit fast 5000 Jahren ungebrochener Tradition für mehrere Jahrzehnte unterdrückt und kamen erst durch die aus ökonomisch motivierten staatlichen Interessen eingeführte Qigong - Bewegung Anfang der achtziger Jahre wieder zum Vorschein. Die verblüffende erscheinende Ähnlichkeit des Orgon- und des chi-Konzepts fanden auch in den Aussagen der Tochter, Ärztin und Mitarbeiterin Reichs, Dr. Eva Reich und des Stammhalters der höchsten philosophischen Schule des Taoismus, Prof Dr. Lu Jinchuan, ihren Niederschlag. Erstere erklärte, dass der Taoismus Jahrtausende von Jahren sich der Erforschung der Lebensenergie und den Naturerscheinungen widmen konnte, und das ihr Vater dafür nur sechzig Jahre zur Verfügung gestanden haben, Letzterer erklärte nach der Privatübersetzung des Spätwerks Wilhelm Reichs aus der englischen in die chinesische Sprache durch seine Schüler, daß er Reich für den am Weitesten gekommenen Forscher des Westens halten würde. Auf der Grundlage dieser Aussagen werde ich nach der ausschnittartigen historischen Herleitung des westlichen Lebensenergiekonzeptes auf das Wissen der chinesischen Kultur über das chi vertiefend eingehen.

 

Qi-Konzepte im Daoismustop

Übersetzungen von Qi

"Qi" wurde und wird im angloamerikanischen Raum fast immer mit "Energie" übersetzt und allgemeinsprachig dem Begriff einer "Lebensenergie" gleichgesetzt. In Wirklichkeit bezeichnet Qi, nur im Kontext übersetzbar, den gesamten Kreislauf der Transformation des Wassers vom Grundwasser hinauf in die Welt der Pflanzen, vom Tautropfen zum Nebel über den Feldern, vom Nebel bis zum Aufstieg durch Verdunstung zu der Bildung von Wolken am Himmel, von der Verdichtung der Wolken bis zum Herabregnen auf die Erde, von dem Einsickern bis zum Grundwasser in der Tiefe, vom Aufstieg in die pflanzliche Welt bis zur Verdunstung. Die chinesische Kalligraphie für Qi zeigt symbolisch die Nebeltropfen über den Reisfeldern. Weitere in der westlichen Literatur zu findende Übersetzungen sind: Leben spendendes Prinzip, Veranlagung, Kraft, Dampf, Gas, Wetter, Luft, Einflüsse, Atem oder materielle Kraft. Im Vergleich dazu sind in der Gesamtenzyklopädie der chinesischen Sprache, dem Zhongwen Dazi-dian, 21 verschiedene Eintragungen zur Bedeutung von Qi als einzelnem Zeichen zu finden.

Interessant ist auch die Verwendung des Wortes Qi in Binomen:

Barometer | qijaji

Lufttemperatur | qiwen

Luft schnappen | qiji

Wetter | qixiang (wörtlich "Qi-Bild")

ärgerlich sein | shengqi

Hass | qihen

Psychische und physische Disposition | qixing

Natürliche Begabung/Veranlagung | qibin

Melancholie | qijie (wörtlich Qi-Verklebung)

Moralische, charakterliche Veranlagung | qizhi

Angeborene Konstitution | yuanqi (im klassischen Kontext: "ursprüngliches Qi")

Neben den philologischen Erklärungen des Piktogramms Qi im Wörterbuch Shouen scheint sich das Bedeutungsspektrum von "Qi" in der traditionellen chinesischen Medizin und in den Naturwissenschaften zu einem außerordentlich großen Spektrum verbreitert zu haben. Die Verwendbarkeit als Binomen führte zu einer Anwendung in verschiedensten Wissensbereichen, damit aber auch zu einer Vermischung von Bedeutungen. Unterschiedlichste Konzepte wurden unter einem Dach - dem Begriff des "Qi" - zusammengeführt, die weitgehend unklar erscheinen und bisher keine einheitliche Definition in westlichen Sprachen zulassen. "Das gilt auch für die traditionelle chinesische Medizin, denn wenn man die beiden Bücher des wohl ältesten und wichtigsten Gesamtwerkes der chinesischen Medizin, des Huangdi Neijing (Der innere Klassiker des gelben Kaisers) und seine beiden Teile Suwen (Reine Fragen) und Lingshu (Geisthafte Problemstellungen) untersucht, wird man feststellen, dass in diesem Werk zwar mit einem Konzept von Qi gearbeitet wird, allerdings nirgends und niemals je erklärt wird, was Qi als solches eigentlich ist. Spezifizierungen werden lediglich hinsichtlich der Wirkung von Qi oder der verschiedenen Ausformungen des natürlichen Erscheinungsbildes von Qi in der Natur oder innerhalb des Körpers gemacht. [2]

Im Folgenden werde ich den Versuch einer philosophischen Klärung des Begriffs Qi in der Tradition der bis in die Mitte der 80er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts geheim gehaltenen Schule des Taiji Men versuchen. Taiji bedeutet "vor dem Anfang und nach dem Ende der Existenz", Men bedeutet Tor. Diese Schule ist in der Volksrepublik China die anerkannt höchste philosophische Schule des Daoismus. Taiji Men unterteilt den Bereich der gesamten, auch der für uns nicht wahrnehmbaren Welt in zwei verschiedene Sphären: der des wu (des Nichts) und der des you (der Existenz). Alle Dinge, d.h. auch die menschliche Existenz, kommen aus dem Wu, existieren nach der Zeugung für einige Zeit im You, um dann im Verlöschen, dem Tod, zurückzukehren in das Wu. Das diesen Prozess (vom Wu zum You zum Wu) vermittelnde und überbrückende Agens ist Qi.

Je näher das Qi sich dem Bereich der Materie (You, der Existenz) nähert, desto dichter wird und interagiert es mit den Gesetzen der für uns erfahrbaren Wirklichkeit. So ist das Qi, das bestimmte chinesische Heiler und Kampfkünstler durch ihre Hände abstrahlen können (waiqi - das harte Qi) wissenschaftlich nachweisbar und wird seit mehr als zehn Jahren von der staatlichen Untersuchungskommission für Qigong-Wissenschaften erforscht. Tatsächlich handelt es sich hier um eine sehr einfache, lenkbare Funktion.

Sanftes, heilendes Qi, das fortgeschrittene Heiler einsetzen, kann bisher nicht wissenschaftlich messbar erfasst werden; seine Effekte in Bezug auf die Hemmung von Bakterienwachstum und der Steigerung der Sprossung von Samen verschiedenster Pflanzenarten ist jedoch einwandfrei dokumentiert. Infrarot- und Magnetfeldmessungen zeigen hier im Gegensatz kein Ergebnis.

 

Qi erfahrentop

Um einen (zu) einfachen Vergleich zu versuchen: wenn Qi einige Eigenschaften des Wassers haben sollte, so hätte es auch flüssige, gasförmige und kristalline Aggregatzustände - doch hat es zahlreiche mehr. Menschen können das Qi unter besonderen, aber einfach herzustellenden Umständen wie einen bewegten Ozean von Wasser oder Luft erfahren. Es jedoch im übertragenen Sinne zu Eis gefrieren zu lassen, um damit in Kampfkunst und Medizin umzugehen, erfordert jahrelange Übung: dies gilt umso mehr für den subtilen, gasförmigen Zustand.

Der Philosophie des Taiji Men entsprechend werden die Menschen vom Universum erschaffen, und der menschliche Körper stellt einen Mikrokosmos dieses Makrokosmos dar. Die Strukturen des Organismus korrespondieren mit den Strukturen der natürlichen Welt. In der Natur unterstützt das Wasser der Flüsse und Seen alle lebenden Dinge, so wie das Blut im Körper alle Zellen und Organe nährt. In diesem Bild entsprechen das Wasser und die Flüsse dem Blut und den Adern der organischen Welt. Darüber hinaus gibt es noch die Luft, unsichtbar, aber von fundamentaler Bedeutung für den überwiegenden Teil der Existenz auf diesem Planeten. Metaphorisch entspricht sie dem Qi. Wie können wir die Luft erfahren, wie kann man das Qi erfahren? Wir können die Existenz der Luft nicht fühlen, solange sie unbewegt ist oder wir uns selbst nicht bewegen. In dem Moment, in dem die Luft sich in Bezug auf uns bewegt und zu einem Luftzug oder Wind anschwillt, können wir sie fühlen. Metaphorisch verhält es sich in gleicher Weise mit dem Qi. Wenn das Qi den Körper bewegt, wird der Körper in bestimmte Bewegungen kommen, und der Mensch ist in der Lage, es zu fühlen. Die Übungsmethode hierzu bilden die sogenannten "spontanen Bewegungen des Taiji Men". Shi Fang Wu Ji Dang (spontane Bewegungen in einem besonderen Zustand) oder die Praxis von Wu wei sind die Hauptmethode der Selbstbehandlung in der Qi-Dao-Medizin. Nach vollständiger, durchgehender Entspannung werden die Selbstheilungskräfte der Patienten wieder aktiviert, so dass diese Krankheiten sich selbst ausheilen können. Diese Methode kann einen sehr großen Bereich von Erkrankungen heilen. Insgesamt betrachtet beein-flusst sie jede menschliche Krankheit. Die entscheidenden Faktoren sind erstens der Grad der Entspannung, die ein Patient erreichen kann, und der Schweregrad der Erkrankung. [3]

 

Qi in der Heilkunsttop

Wie oben erwähnt, kann Qi auch zur Behandlung menschlicher Erkrankungen eingesetzt werden. Zwischen westlicher Medizin, traditioneller chinesischer Medizin (TCM) und Qi-Medizin bestehen hier bedeutsame Unterschiede.

Westliche Medizin beruht auf der Behandlung vorliegender körperlicher Störungen. Im letzten Jahrzehnt wurde versucht, auch nahezu alle psychischen Erkrankungen auf eine physische Störung der Überträgerstoffe im Gehirn zurückzuführen. Die westliche Medizin beruht auf naturwissenschaftlichen Vorstellungen und Erkenntnissen darüber, wo sich ein Organ befindet und wie es zellulär funktioniert. Man kann sie als Organmedizin bezeichnen.

TCM basiert auf den funktionellen Erscheinungen der Organe. Diese Medizin bezieht sich nicht auf die physische Existenz der Organe, sondern auf ihre Funktionen. In der TCM befindet sich z.B. die Leber auf der linken Seite - obwohl die physische Leber auf der rechten Seite lokalisiert ist, erscheinen ihre Funktionen auf der linken. Für diese medizinische Richtung ist es nicht ausschlaggebend, wo exakt ein Organ sich im menschlichen Körper befindet, wichtig sind vielmehr seine den gesamten Organismus beeinflussenden Funktionen. Die TCM kann also als eine Organerscheinungs-Medizin betrachtet werden.

Für die Qi-Medizin ist weder die nach westlicher Ansicht bedeutsame Lage noch der Blickwinkel der TCM auf die Funktion das Entscheidende. Bedeutsam ist das Qi-Feld des Organs, man könnte sogar sagen: Der Geist des Organs. Nicht die exakte Lokalisation der Leber noch die Funktionen sind in dieser Herangehensweise das Wesentliche. Entscheidend ist die Lage und die Ordnungsstruktur des Qi-Feldes.

 

Ein Exkurs über die Qi-Medizintop

Um diesen zentralen, im Westen unbekannten Ansatz zu vertiefen, werde ich im Folgenden auf die Vorstellung der Qi-Medizin am Beispiel des menschlichen Herzens eingehen. Wenn darin geistige und körperliche Aspekte angesprochen wer-den, gilt es zu bedenken, dass in der daoistischen Philosophie beide Aspekte eins sind. Vereinfacht ausgedrückt ist der geistige Aspekt die Kraft, die dafür sorgt, dass verschiedene Elemente als Einheit zusammenarbeiten. Beide Aspekte haben Auswirkungen aufeinander, entwickeln und durchdringen einander.

Die grundlegenden daoistischen Vorstellungen über das Leben bilden den Schlüssel zur Qi-Medizin. Dazu zitiere ich ausführlich Tom Zhang und Carol Yeung, Schüler von Lu Jinchuan.

"Wir kennen die folgenden beiden Fakten über unser Leben: es gibt Leben in einem menschlichen Körper, und: unser Körper besteht aus vielen Zellen. Da wir sicher sind, dass Punkt 1 wahr ist, hat dann nicht auch jede Zelle ein Leben? Wie könnte sonst ein ganzer und vollständiger Körper Leben besitzen? Daher müssen wir einen weiteren Punkt hinzufügen: jede Zelle hat ein Leben.

Genauso ist jeder Teil des Universums eine 'Zelle' des Universums und jedes einzelne Leben auch ein Teil des Lebens des Universums. Gemäß diesen Schlussfolgerungen können in der Qi-Dao-Medizin alle Formen des Lebens auf drei Ebenen analysiert werden. Die erste Ebene der Lebensformen sind die Dinge und Wesen, so wie wir ihnen begegnen. Sie werden He Sheng (zusammengesetztes Leben) genannt, denn alles Leben ist aus einfachem primärem Leben zusam-menge-setzt. Die zweite Ebene der Lebensformen sind jene, die noch einfacher sind. Sie werden Fen Sheng (geteilte Leben) genannt, und aus ihnen ist He Sheng (zusammengesetztes Leben) gebildet. Der dritten Ebene der Lebensformen, die Zong Sheng (universelle Leben) genannt wird, liegt die erste Ebene der Lebensformen (zusammengesetztes Leben) zugrunde. (He Sheng sind die Fen Sheng der Zong Sheng.) Das Leben eines menschlichen Körpers z.B. ist das He Sheng (zusammengesetztes Leben), die Leben der Körperzellen sind die Fen Sheng (geteilte Leben) und das Leben des ganzen menschlichen Wesens ist das Zong Sheng (universelles Leben). Nachdem wir alle Lebewesen mittels dieser Methode analysiert haben, kommen wir zu den folgenden Schlussfolgerungen: Die Erzeugung eines Lebens ist gleichzeitig die Erzeugung der Leben vieler Zellen. Im Leben eines Körpers, beispielsweise der körperlichen und biologischen Existenz einer Person, gibt es die Leben vieler Zellen. In einem Leben gibt es viele Geburten und Tode. Jeden Tag entstehen und sterben Zellen im Körper. Also ist mein Leben eine Zusammenkunft der Leben von vielen Lebewesen. Auf die gleiche Weise besteht das Leben eines Körpers aus dem Leben der Organe.

Da der geistige und körperliche Aspekt eins sind, gibt es darüber hinaus Körperformen in einer körperlichen Form und Geistformen in einer geistigen Form. Daraus schließen wir, dass der physische Körper auch geistig ist, ebenso wie die Organe oder Gewebe auch geistig sind. Denn wenn eine Organ keinen Geist hat, wie können dann alle Zellen der Organe zusammenarbeiten, um ihre Aufgaben zu erfüllen? Der menschliche Körper besteht physisch aus Zellen, Gewebe und Organen. Der Geist des menschlichen Körpers besteht auch aus den Geistern seiner Zellen, Gewebe und Organe. Auf höherer Ebene der Qi-Dao-Medizin konzentriert sich die For-schungstätigkeit hauptsächlich auf die Geister der Organe.

Einer der offensichtlichsten Unterschiede in den Ergebnissen, die durch physikalische im Gegensatz zu geistigen Methoden gewonnen wurden, ist die Ansicht, welcher Teil des menschlichen Wesens denkt. In der westlichen Medizin ist bekannt, dass das Denken durch das Gehirn geschieht, das auch die Kommandozentrale des menschlichen Körpers ist. Die traditionelle chinesische Medizin und die Qi-Dao-Medizin sind dagegen der Ansicht, dass das Herz Xin die Gedanken kontrolliert. Die Aufmerksamkeit und das Herz sind hier nicht der Ort des Denkens, sondern der Ort, von dem aus das Denken kontrolliert wird. Das Herz ist nicht das Herzorgan, das hauptsächlich für den Blutkreislauf verantwortlich ist, sondern die Herzgegend, die in der Nähe des Herzens und in der Mitte der Brust lokalisiert ist. Um Missverständnisse zu vermeiden, werden wir Xin, das chinesische Wort für Herz, verwenden, um diese Bedeutung zu vermitteln.

Wenn wir untersuchen, wo die Kommandozentrale des menschlichen Körpers liegt, und wenn bei dieser Untersuchung subjektive Erfahrungen eine wesentliche Rolle spielen, dann stellen wir fest, dass Xin der gesuchte Ort ist. Im allgemeinen beobachten wir, dass es uns glücklich macht, wenn wir etwas Gutes hören, und dass es uns traurig macht, wenn wir etwas Schlechtes oder Bestürzendes hören. Die erste Reaktion des menschlichen Körpers wird nicht vom Kopf her gesteuert, sondern vom Xin her. Als erstes werden wir der Gefühle oder Empfindungen in unserer Brustgegend gewahr. Dies löst dann eine Kettenreaktion aus. Unser Verstand fängt an zu denken. Wenn das Xin nicht ruhig und friedlich ist, kann der Denkprozess in unserem Verstand nicht ruhig sein. Zorn hört z.B. nicht auf die Argumente des Verstandes, sondern auf unser Xin. Wenn wir zornig werden, spürt unser Xin das als erstes. (...) Wenn das Herz sich nicht beruhigt, wird der Zorn nicht verschwinden. Ein anderes Beispiel ist ein Fußgänger, der eine Straße überquert. Wenn plötzlich direkt vor ihm ein schnelles Motorrad auftaucht, wird als erstes sein Xin reagieren und er wird einen anfänglichen Schock oder Schrecken bekommen. Diese Reaktion wird dann auf das Gehirn übertragen, das ihm sagen wird, dass er aus dem Weg gehen soll.

Warum betrachtet die objektive Methode der abendländischen Medizin das Gehirn als Ort des Denkens und als Kontrollstelle des ganzen Körpers? Die folgenden Punkte sollen helfen, diese Theorie zu erklären:

Das Gehirn ist das Nervenzentrum, von dem aus alle Nerven über den ganzen Körper verteilt werden. Der Großteil des Informationsaustauschs im Nervensystem wird durch das Gehirn gesteuert. Wenn ein Teil des Gehirns abgeschnitten oder blockiert ist, bedeutet das für den korrespondierenden Teil der menschlichen Körperfunktionen, dass er lahmgelegt wird. Was ist nun das wahre Zentrum des menschlichen Körpers, das Xin oder das Gehirn? (...) Die Forschungstätigkeit der Menschen kann in drei Bereiche unterteilt werden. Es gibt den makroskopischen Forschungsbereich, in dem Gegenstände viel größer sind als im normalen alltäglichen Leben, und den mikroskopischen Bereich, in dem Gegenstände viel kleiner sind. Der dritte Bereich ist die alltägliche Ansicht des Lebens. Die meisten abendländischen Wissenschaftler ziehen nur aus dem dritten Bereich Erfahrungen spiritueller Tiefe und Verständnis. Der erste und zweite Bereich erscheint ihnen zu physisch. Gehirnforschung oder die Suche nach dem Zentrum des menschlichen Körpers gehört hauptsächlich in den zweiten Bereich. Um eine Vorstellung davon zu bekommen, wie Forschung der spirituellen Art betrieben wird, werden wir ein Beispiel verwenden, das zum dritten Bereich gehört, um den spirituellen Charakter der zum zweiten Bereich gehörenden Dinge zu erläutern. Als Beispiel analysieren wir die Struktur eines Wirtschaftsunternehmens.

Die physische Struktur sind die Vermögensgegenstände dieses Unternehmens, wie das Gebäude, die Anzahl der Angestellten und Arbeiter und die Kommunikationswege, d.h. wie die Kabel und Kommunikationskanäle verteilt sind. Die geistige Struktur ist der Managementstil, die Intelligenz der Arbeitgeber etc. Mit der physischen Forschungsmethode kann man Bewegungen in diesem Unternehmen beobachten, z.B. alle Kabelsignale analysieren, aber Sie können sich dadurch nicht mit einer Person in dieser Firma verständigen oder Dokumente der Firma lesen. Nach Untersuchung der physischen Methode können Sie zu dem Schluss kommen, dass die Kommandozentrale der Firma in demjenigen Büro liegt, in dem sich die meisten Computer befinden. Vielleicht laufen die Kommunikationskabel, Kanäle und Systeme des ganzen Unternehmens in diesem zentralen Büro zusammen. Wenn einige Computer und Informationen in diesem Büro abgetrennt oder blockiert sind, dann sind die mit ihnen zusammenhängenden Unternehmensteile handlungsunfähig.

Diese Art von Analyse kann in Wirklichkeit jedoch nicht beweisen, dass dieses Büro die Kommandozentrale des Unternehmens ist. Wenn wir dieAnzahl der Kabel und Verbindungen im ganzen Unternehmen untersuchen, mag vielleicht nur ein Kabel in das Büro des Vorstandsvorsitzenden gehen. Wenn wir die Anzahl der Telefonate des Vorstandsvorsitzenden mit denen in anderen Büros vergleichen, stellen wir vielleicht fest, dass er weniger telefoniert als seine Angestellten. Seine Telefonate sind jedoch viel wichtiger und entscheidender. Diesen Unterschied können wir nicht mittels physischer Forschung feststellen, sondern nur durch Kenntnis des Inhalts. Es ist sogar möglich, dass der wahre Eigentümer dieses Unternehmens nicht dort arbeitet. Vielleicht setzt er sich nur einmal im Monat oder in bestimmten Abständen mit dem Vorstandsvorsitzenden in Verbindung. Dies bedeutet jedoch nicht, dass er nicht die Kontrolle über das Unternehmen hätte.

Nun verstehen wir, dass wir spirituelle Forschung nicht durch physische Forschung ersetzen können. Um mehr von der wahren Eigenschaft des Unternehmens zu erfahren, müssen wir es von so vielen Blickwinkeln wie möglich beobachten, und das schließt sowohl den spirituellen als auch den physischen Weg ein.Verglichen mit den physischen Elementen sind die spirituellen nicht greifbar, sondern abstrakt und unsichtbar. [4]

 

Das Gold und der Löwetop

In diesem Sinne gebe ich das Schlusswort einer daoistischen Parabel: "Im siebenten Jahrhundert, als Fa-tsang, der Gründer der Hua-yen-Schule, am Kaiserhof Vorlesungen gab, sah er sich der Schwierigkeit gegenüber, die Theorie der gegenseitigen Durchdringung und der Einheit von Erscheinung und Wirklichkeit zu erklären. Fa-tsang zeigte auf einen goldenen Löwen in der Halle und trug seine berühmte Parabel vor. Das Gold symbolisiert die Wirklichkeit, und der Löwe symbolisiert die Erscheinung. Wirklichkeit selbst ist formlos, aber sie nimmt jede Form an, die die Umstände ihr geben. Ähnlich hat Gold 'kein Bestehen an sich', sondern ist zur Form des Löwen als seine Erscheinung geformt. Andererseits ist der Löwe nur eine Form, nur eine Erscheinung, die keine Wirklichkeit an sich hat - sie ist ganz und gar Gold. Wenn das Gold den Löwen vollkommen aufnimmt, hat der Löwe keine Existenz als getrennte Wesenheit. Die Existenz des Löwen hängt voll-kom-men von der Existenz des Goldes ab. Ohne Gold gäbe es keinen Löwen. Das heißt mit anderen Worten, ohne Wirklichkeit existiert keine Erscheinung. Andererseits jedoch stellt der Löwe die Erscheinung des Goldes dar. Ohne die Form des Löwen gäbe es keinen Ausdruck des Goldes. Erscheinung erweist die Existenz der Wirklichkeit. Das Gold und der Löwe koexistieren harmonisch; sie sind miteinander vereint, aber das hält keines von beiden irgendwie davon ab, es selbst zu sein. Jedes ist vollständig und genügend für sich und an sich. Das Gold und der Löwe bleiben in sich verschieden. Sieht man auf den Löwen, so sieht man ihn als Löwen; der Löwe ist offensichtlich, das Gold tritt zurück. Sieht man das Gold, so ist dieses offensichtlich, und der Löwe wird unserem Blick verschleiert. Manchmal sieht man beides; manchmal sieht man auch keines von beiden. [5]

(1) Josef Thesing und Thomas Awe Dao in China und im Westen
- Impulse für die moderne Gesellschaft aus der chinesischen Philosophie, Bouvier Verlag, Bonn 1999 (das Buch basiert auf einer von der Konrad-Adenauer-Stiftung organisierten Konferenz zu diesem Thema; siehe Vorwort der Herausgeber.)

 

(2) Manfred Kubny, Qi, Lebenskraftkonzepte in China
- Definitionen, Theorien und Grundlagen, Haug, Heidelberg 1995

(3) Tom Zhang und Carol Yeung
The Science of Qui Dao Medicine in Wissenschaft des Lebendigen Heiko Lassek (Hrsg.), Verlag Simon und Leutner, Berlin 1999

(4) Tom Zhang, Carol Yeung The Science of Qi Dao Medicine,
teilweise unveröffentlichtes Vortragsskript

(5) Chang Chung-yuan
Tao, Zen und schöpferische Kraft
Diederichs gelbe Reihe, Köln 1983, S.87 ff.

 

Wie Qi definiert wirdtop

Einer der drei physikalischen Zustände (wie gasförmige, flüssige oder feste Körper).
Das, was keinen festen Körper hat, was flüssig ist und in der Lage ist, sich zu sammeln und zu verstreuen, ist Qi.

Es sind die Wolken. Es ist die Erscheinung der Natur zwischen Himmel und Erde, und bezeichnet die Qualitäten Yin, Yang, Wind, Regen, Dunkelheit und Helligkeit.

Abdampfendes und aufsteigendes Qi.
Dunst, Rauch.
Der ein- und austretende Atem.
Die Lebenkraft des Körpers.
Das ursprüngliche Qi. Die dem Erzeugen und Wachsen der 10000 Wesen zugrundeliegende Kraft.

Das äußere Erscheinungsbild des Feinstgeistes jingshen (am Körper) heißt Qi, wie zum Beispiel ein tapferer Ausdruck yongqi, ein verwahrloster Ausdruck muqi (wörtlich: - Grabes-Qi ), ein mächtiger Ausdruck haoqi, eitler Ausdruck yiqi.
Kraft.

Emotion.
Charakterliche Veranlagung.
Gestank, Duft.
Riechen (verbal), Geruch.
Das was Dinge - beeinträchtigt und auf sie einwirkt.
Der Volksmund sagt, dass Ärger und Melancholie (eine Art von) Qi sind.
Körperliche Gestalt.
Klima, im Sinne der chinesischen Klimaperioden qieqi (von denen es nach chinesischer Thorie 24 gibt).

Im Altertum wurde das Zeichen Qi auch so geschrieben: unten - Feuer , oben - Dunst .
Im Altertum wurde das Zeichen Qi auch so geschrieben: - Sonne mit Dunst, oder so: unten - Feuer , oben - das Nichts.

Es kann auch Bambusgefäß oder Gefäß heißen.

Als ich zwölf oder dreizehn Jahre alt war, fiel mir in einer Buchhandlung in Hannover, der nächstgrößeren Stadt von meinem Heimatort Barsinghausen aus, das Buch - Daodejing von Laozi in die Hände. Diese Schrift stellt in ihren rätselhaften Aussagen, Allegorien und Parabeln die letzte Hinterlassenschaft einer nicht-religiöse Naturerkenntnis und -be-schreibung pflegenden Kultur dar, die weit in die Frühgeschichte zurückreicht. Sie begleitet mich in all ihren verschiedenen Über-setzungen bis heute durch mein Leben. Der Begriff einer Lebensener-gie Qi, ihre Widerspiegelung in polaren Funktionen wie Yin und Yang, ihre Wandlungsphasen, präg-te mein Weltempfinden und Erkenntnisinteresse. Wenig später fiel mir das Buch Wilhelm Reich und die Orgonomie des norwegischen Philosophen Ola Raknes in die Hände. Hier fand ich all das angesprochen, was ich im Westen vergeblich suchte: die Beschreibung und Erforschung einer alles durchdringenden Lebensenergie, die Wilhelm Reich "Orgon" genannt hatte. Seitdem begleitete mich auch dieses Thema auf meinem Weg als Arzt, Mitbegründer der Wilhelm-Reich-Gesellschaft, Autor bzw. Herausgeber von Grundlagenwerken zur Orgontherapie, von Schriften Wilhelm Reichs und weiterführenden Forschungen.

Im Jahr 1997 kam ich in Kontakt mit Lu Jin-chuan, dem Stammhalter der daoistischen Tradition des Taiji Men und wurde sein Schüler. Sein ausdrücklicher Wunsch war, die Erkenntnisse des Daoismus mit der Lebensenergieforschung Reichs zusammenzubringen. Damit hat sich für mich ein Traum erfüllt, nämlich diese beiden Traditionen in alle Richtungen hin zu durchleuchten und ihre Gemeinsamkeiten und Unterschied-lichkeiten herauszuarbeiten und zu verstehen. Dieser Aufgabe ist auch dieser Artikel gewidmet.